Letzte Woche war ein kleines Vorgeplänkel. Jetzt geht es an die richtige Arbeit. Der nächste Punkt ist sehr umfangreich und beschäftigt sich mit dem großen Bereich Sammeln und Sammlungskonzept.
Zugegebenermaßen haben viele von uns noch gar kein Sammlungskonzept, wenigstens kein schriftliches. Und wenn es eines gibt, wurde es oft erst in den letzten Jahren erarbeitet. In der Sammlung schlummert noch vieles, was nicht in das neue Konzept passt. Trotzdem ist es sinnvoll, sich diesen Abschnitt genau anzusehen und alles niederzuschreiben, was man schon erarbeitet hat. Vielleicht ist das der Anlass, uns von den alltäglichen Aufgaben loszueisen und uns die Zeit zu nehmen, die übergreifenden, strategischen Fragen anzupacken.
Es ist gut regelmäßig zu diesem Abschnitt zurückzukehren und weiter zu ergänzen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich jedes Mal neue, hilfreiche Aspekte zeigen.
1. Inhalte der Sammlung
- Um was für eine Sammlung handelt es sich, welche Objekte finden sich darin?
- Wie viele Objekte umfasst die Sammlung?
- Was deckt die Sammlung zeitlich, örtlich und thematisch ab?
- Welche Highlights gibt es?
- Was sind typische Objekte, was ist ungewöhnlich?
- Was macht die Sammlung einzigartig? (Ja, jede Sammlung sollte etwas haben, was sie einzigartig macht)
- ...
2. Sammlungskriterien
- Was wird gesammelt?
- Was wird nicht gesammelt?
- Was wird exemplarisch gesammelt, d.h. wo werden einzelne Stücke als Beispiele ausgewählt?
- Gibt es festgelegte Sammlungskriterien?
Falls ja: - Wo sind die abgelegt?
- Wer hat sie erarbeitet?
- Seit wann gibt es sie?
- Wie häufig werden sie überprüft?
- Werden/wurden diese Kriterien eingehalten?
- Wann wird von den Kriterien abgewichen?
- Welche Bereiche der Sammlung müssen noch überprüft bzw. überarbeitet werden?
3. Entsammeln
Aussortieren, Entsammeln, Deakzession - wie auch immer es genannt wird - ist in Museen sehr umstritten. Mit gutem Grund. Die Gefahr ist groß, auf Druck des Kämmerers oder aus geändertem Zeitgeschmack Objekte zu verkaufen oder zu entsorgen, die wichtig für die jeweilige Sammlung wären. Trotzdem gibt es gute Gründe für die Abgabe von Sammlungsobjekten. Was bringt das beste Sammlungskonzept, wenn weiterhin Depotplatz und Arbeitszeit für Objekte aufgewendet werden müssen, die man weder will noch braucht. Das Problem liegt nicht darin, Objekte aus der Sammlung zu entfernen, aber wie und warum es gemacht wird.
- Sind Deakzessionskritieren festgelegt?
Falls ja: - Wo sind die abgelegt?
- Wer hat sie erarbeitet?
- Seit wann gibt es sie?
- Wie häufig werden sie überprüft?
- Werden/wurden diese Kriterien eingehalten?
- Wer muss zustimmen?
- Was passiert mit aussortieren Objekten, z.B. Vernichtung, Tausch, Verkauf, Abgabe an andere Museen,…?
- Wie geht man mit Totalschäden um?
- Wie geht man mit Objekten um, von denen man keine Herkunft und keine Geschichte weiß?
- Wie wird dokumentiert was aussortiert wurde und warum?
4. Abgrenzung der Sammlung
Keine Sammlung steht für sich alleine und es gibt immer Überschneidungen zu anderen Sammlungen, die zu einem ähnlichen Thema oder einem ähnlichen Zeitraum sammeln. Manchmal hilft es auch, die
einzelnen Sammlungen eines Museums voneinander abzugrenzen: Gehört das Spinnrad zur Abteilung 'Haushaltsgegenstände' oder zu 'Handwerk und Erwerb'?
- Wo gibt es Überschneidungen mit ähnlichen Sammlungen in anderen Museen bzw. mit anderen Sammlungen des eigenen Museums?
- Welche Objekte könnten eventuell auch anderen Sammlungsbereichen zugeordnet werden?
5. Sammlungsstruktur
- Wie ist die Sammlung in sich aufgebaut?
- Ist sie homogen oder heterogen?
- Welche Untergruppen von Objekten, Unterkategorien oder Sammlungen in der Sammlung gibt es?
- Wie sind diese Untergruppen gekennzeichnet, z.B. Klassifizierung, Inventarnummer, Spendername, … ?
- Gibt es Objekte/Bereiche in der Sammlung, die nicht dem Museum gehören, z.B. Dauerleihgaben? Wie sind diese gekennzeichnet?
6. Sammeln
- Ist die Sammlung abgeschlossen oder wird weiter ergänzt?
- Gibt es etablierte Wege, wie neue Objekte in die Sammlung kommen, z.B. regelmäßige Abgabe von Prototypen oder aktuellen Produkten bei Unternehmenssammlungen?
- In welchen Bereichen wird der Markt beobachtet, aktiv gesucht und angekauft oder um Objekte geworben?
- In welchen Bereichen wird passiv erweitert, d.h. das Museum kauft angebotene Objekte auf und nimmt Geschenke und Nachlässe an.
- Welche Quellen gibt es für Objekte und/oder Informationen (Sammler, andere Museen, spezielle Datenbanken, Förderverein, Auktionshäuser, ebay, …)?
7. Analyse des Bestands
Nun treten wir einen Schritt zurück und blicken von oben auf unsere Sammlung.
- Wie sähe unsere Sammlung idealerweise aus? Wo müssten wir noch ergänzen und erweitern, um sie perfekt für unser Museum zu machen?
- Was müssten wir sammeln (zeitlich, thematisch, örtlich) um sie perfekt zu machen?
- Welchen Anteil davon haben wir bereits?
- Was gibt es auf dem Markt?
- Wo sind wir gut aufgestellt und wo sind Lücken im Bestand?
- Welche Lücken lassen sich leicht schließen?
- Welche Lücken schmerzen uns am meisten?
- Welche Bereiche sind unterrepräsentiert?
- Gibt es ganz bestimmte Objekte, die in der Sammlung noch fehlen? Wenn ja, welche?
- Wie können wir diese Objekte bekommen?
Ich habe in dieser Aufstellung versucht, Beispiele und Erklärungen möglichst knapp zu halten, um nicht von den Fragen abzulenken. Sind die Fragen für sich verständlich?
Fehlt in dieser Aufstellung etwas? Welche Fragen könnte man noch ergänzen?
Habt Ihr den Fragenbogen schon verwendet? Wenn Ihr möchtet, kann ich gerne Eure Beispiele hochladen, damit andere sich daran orientieren können.
Maria Scherrers
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